Als Sophie Tieck im Jahr 1775 in Berlin das Licht der Welt erblickte, wurde sie in eine Zeit des Umbruchs geboren. Berlin hatte sich längst zu einer Großstadt entwickelt und war eine Metropole von internationalem Gepräge.
Während der Regierungszeit Friedrichs des Großen wurden im Stadtbild der königlichen Residenzstadt Akzente gesetzt; die auf Repräsentation gerichtete Bautätigkeit erreichte einen Höhepunkt. Schon 1743 war das Opernhaus Unter den Linden eröffnet worden. Die Königliche Bibliothek gegenüber der Oper und andere glanzvolle Bauten in der Nähe des Schlosses folgten. Der ehemalige Paradeplatz wurde zu einem parkähnlichen Lustgarten umgewandelt. 1773 wurde die katholische St. Hedwigskirche vollendet, die an ein römisches Pantheon erinnern sollte und für die der König selbst mehrere Entwürfe lieferte. Am Gendarmenmark ließ der König die 70 m hohen Kuppeltürme für den Französischen und den Deutschen Dom errichten, die das Schauspielhaus auf der Nord- und Südseite des Platzes flankierten. Die säulenumkränzten Türme wurden 1780 – 1785 als rein dekorative Monumentalbauten errichtet. Gleichzei
tig hatten sich in der Großstadt verschiedene Industrie- und Gewerbezweige angesiedelt, wie z.B. die Porzellan- und Seidenmanufakturen, aber auch metallverarbeitende Betriebe. Nicht nur die vielen Türme der Altberliner Kirchen ragten im Stadtbild eindrucksvoll empor, sondern auch die Schlote der Fabriken bestimmten zusehends das Stadtbild, wie man auf nebenstehender Abbildung leicht erkennen kann. Die Textilindustrie wurde zu einem der wichtigsten Produktionszweige, was zu sozialökonomischen Veränderungen und einer massenhaften Verarmung kleinerer Warenproduzenten führte. Gesellschaftliche und politische Faktoren strukturierten die Kulturlandschaft neu und brachten große Unsicherheiten für die Menschen mit sich. Durch das Zeitalter der Revolution wurde die gewachsene Ordnung aufgehoben zugunsten einer Emanzipation des Bürgertums als neuer sozialer Schicht. Diese musste das eigene Selbstverständnis und ein eigenes Selbstbewusstsein erst noch begründen. In der bürgerlichen Familie bildete sich eine Privatsphäre heraus, in der Intimität und Emotionalität eine enorme Aufwertung erhielten, was zu einer Debatte über die Geschlechtscharaktere führte. Besonders die Romantiker unternahmen diverse Versuche, die Geschlechterrollen, die die Frau auf Passivität und Häuslichkeit festlegte und den Mann auf Öffentlichkeit und Aktivität, neu zu definieren. Bildung wurde zu einem beherrschenden Thema.
Die Biographie Sophie Tiecks spiegelt die Umbruchsituation des ausgehenden Jahrhunderts. Ihr Leben ist geprägt von Auf- und Abbrüchen.